Reise nach Algerien 2012                        

Bericht: Anke Brügmann

Teil 1 - OMCB-Generalversammlung am 15. und 16. Dezember 2012 

Ein großes und wichtiges Ereignis ist die Generalversammlung der OMCB in Algier, das ist überall zu spüren. Fotos und Berichte füllen die Titelseiten der Tageszeitungen, die Fernsehsender bringen Interviews und Berichte. Es wird sehr deutlich, dass das Berberpferd und das Araber-Berberpferd in den nordafrikanischen Ländern eine sehr viel höhere Bedeutung besitzt als hierzulande - als wichtiger Teil der Kultur und der Tradition, aber auch als Wirtschaftsfaktor für den Export. Die Durchführung der Generalversammlung, die Unterbringung und Verpflegung der Delegationen wird durch das Agrarministerium gefördert. Der Agrarminister von Algerien, Dr. Benaissa, ehemals Generalsekretär und Gründungsmitglied der OMCB, ist persönlich sehr engagiert an beiden Tagen anwesend, u.a. um die Delegationen und der Länder zu empfangen.

Neben den nordafrikanischen Ländern Algerien, Tunesien und Marokko sind Frankreich, Belgien und Luxemburg vertreten. Unsere Delegation repräsentiert Deutschland und Österreich gemeinsam und vertritt auch die Schweiz, die dieses mal leider keinen eigenen Delegierten entsenden konnte.

Die Generalversammlung der OMCB (Organisation Mondiale de Cheval Barbe) tagt seit 7 Jahren erstmalig wieder und soll der Neubesetzung der Ämter und der Neukonstituierung der unterschiedlichen Kommissionen dienen. Gleichzeitig wird das 25. Jubiläum der OMCB begangen.




Am ersten Tag findet ein großes Pferdfestival statt. Auf der Galopprennbahn, mit Blick auf das Meer und die Altstadt von Algier, haben die Gastgeber alles versammelt, was rund um die Tradition und aktuelle Entwicklungen um das Berberpferd von Interesse ist: Fantasia-Vorführungen in der Tradition der unterschiedlichen Regionen Algeriens – mal in einer Reihe mit vielen Startern, wie wir es von der Tbourida aus Marokko kennen, oder nur paarweise wie es im Osten von Algerien üblich ist, in rasantem Tempo mit mehreren Schüssen, mit unterschiedlicher landestypischer Kleidung und kostbar geschmückten Pferden. Ein Bild, an dem wir uns nicht sattsehen können, wenn auch die Ohren dröhnen... 


In einem Pavillon ist eine Ausstellung aufgebaut, mit sehr beeindruckenden Gemälden und Fotos, Impressionen von der Fantasia, dazu Stände mit Sattler- und Lederwaren, mit Informationen zur Geschichte des Berberpferdes und zur aktuellen Zucht.

Eine Gruppe von Sloughis, nordafrikanischen Windhunden, die zur Jagd genutzt werden, lagert mit ihren stolzen Besitzern malerisch neben einem typischen Berberzelt.


Die Nationalgarde präsentiert eine höchst anspruchsvolle Quadrille mit 20 Pferden und überrascht uns mit Dudelsackmusik.


      

Eine traditionelle Tanzvorführung leitet über ins Zelt, in dem die „Offiziellen“ und alle geladenen Gäste auf langen niedrigen Polstern zu Tee und Gebäck zusammen kommen. Dort lernen wir auch den Deutschen Botschafter und die Österreichische Botschafterin kennen. „Sind Sie alle wegen der Pferde da?“ fragt sie uns ganz erstaunt.


Nach der offiziellen Teestunde mit dem Agrarminister gibt es Vorführungen mit der Nationalgarde zu Pferd, wieder Fantasia und es werden Zuchtpferde aus dem Staatsgestüt Tiaret und von privaten Züchtern vorgestellt – Deckhengste, Stuten, Jungpferde. Das algerische „Modell“ gefällt uns insgesamt sehr gut. Gute Reiteigenschaften scheinen, wie bei uns in Deutschland, bei der Selektion eine hohe Priorität zu besitzen. Als Überraschungsgast und Höhepunkt wird der schöne Baloubet hereingeführt, der in El Jadida zum Welt-Champion ernannt wurde. Alle Zuschauer sind hingerissen und drängen sich um den schneeweißen Stargast, auf den die Algerier zu Recht stolz sind!

Der zweite Tag dient dem eigentlichen Zweck der Versammlung – den Neuwahlen und der Neukonstituierung - und findet auf dem Messegelände in Algier statt. Anders als in Europa werden in den nordafrikanischen Ländern fast alle Ämter von Angehörigen der Ministerien oder Staatsbeamten wahrgenommen. Ein ungewohntes Bild für uns ehrenamtliche Pferdeleute in einem kleinen Zuchtverband, der um seine Anerkennung durch die Administration kämpfen muss, weit entfernt von staatlicher Förderung ... Im Angesicht des selbstverständlichen Führungsanspruchs der Ursprungsländer müssen wir Europäer unsere Beteiligung an wichtigen Gremien durchsetzen, aber gute Argumente überzeugen schließlich, so dass wir mit den Ergebnissen sehr zufrieden sein können (s. Bericht vom 22.12.2012 auf der VFZB-Homepage unter NEUES).

Am Abend, beim abschließenden Diner, herrscht große Erleichterung über die erzielte Einigung. Über die Sprachgrenzen hinweg wird an den Tischen lebhaft parliert, werden neue Kontakte geknüpft, Ideen und Adressen ausgetauscht. Nicht zuletzt die vielen persönlichen Begegnungen am Rande der Tagung lassen berechtigte Hoffnung aufkommen, dass die gemeinsame Arbeit im OMCB künftig einen neuen Aufschwung nehmen kann!




Besiegelt wird dies durch eine Plakette, die an die Ehrenmitglieder verliehen wird und an alle, die sich in den letzten 25 Jahren um den OMCB verdient gemacht haben. Auch unsere Vertreterinnen Andrea Gimmler für Deutschland und Isa Kerschbaumer für Österreich können je eine Plakette entgegen nehmen.

Bei der herzlichen Verabschiedung bedanken wir uns bei den Gastgebern noch einmal ausdrücklich für die unendlich großzügige Gastfreundschaft und die perfekte Organisation dieser Generalversammlung!

Und jetzt wird´s spannend...


Fahrt ins Landesinnere: Gestütsbesichtigung Tiaret

Während sich die meisten Sitzungsteilnehmer am Montagmorgen auf die Heimreise machen, wartet auf unsere kleine Reisegruppe aus Deutschland noch eine verlockende Fortsetzung: Eine Fahrt zum Staatsgestüt in Tiaret und anschließend der Besuch bei verschiedenen Züchtern in der Steppe, den Hochplateaus. Wir sind eingeladen von Dr. Ahmed Bouakkaz, dem Direktor der nationalen Zuchtorganisation ONDEEC. Dank seiner Position und seiner Verbindungen hat er Fahrt, Route, Unterkunft etc. organisiert und ein Programm für uns vorbereitet, das uns unmittelbar in Kontakt bringt mit Land und Leuten und der ursprünglichen Berberzucht im Herzen Algeriens, in den Hochplateaus.

Voller Vorfreude verstauen wir unser Gepäck und uns in zwei PKW – der eine von Ahmed Bouakkaz gesteuert, der andere von einem freundlichen Mitarbeiter des algerischen Landwirtschaftsministeriums. Alle unsere Fragen zu Land und Leuten beantwortet er bereitwillig. Sobald wir die Autobahn und das Verkehrsgewühl rund um Algier verlassen haben, genießen wir die Ausblicke links und rechts auf wunderschöne Landschaft, Mandarinenbäumchen die gerade abgeerntet werden, auf sanfte Hügel in zartgrün. Hier beginnt jetzt die Wachstumsperiode, und viele der riesengroßen Felder sind frisch gepflügt und eingesät. Ab und zu durchqueren wir Ortschaften und erhalten einen Blick auf das Alltagsleben auf dem Land. 


Je weiter wir uns Tiaret nähern, desto atemberaubender werden die Bergketten, die am Horizont auftauchen. Die Vorfreude steigt, angeheizt durch fetzige arabische Popmusik aus dem Autoradio...

Die Stadt Tiaret zeigt sehr deutlich die Spuren der einstigen französischen Kolonie. Viele Häuser sind im Kolonialstil erbaut, auch unser Hotel trägt diesen altmodischen Charme. Bevor wir uns zum Gestüt aufmachen ist noch Zeit für einen kleinen Spaziergang durch die nähere Umgebung. Wir kommen allerdings nicht sehr weit, da die Verlockungen einiger Läden mit Kleidern, Tüchern, Taschen, Gewürzen uns überwältigen. Unser einheimischer Begleiter steht geduldig daneben, während wir wühlen, anprobieren, verhandeln ... 

Dann geht es endlich zum Staatsgestüt „Chaouchaoua“, im Jahre 1877 von den Franzosen erbaut, die hier Berberpferde für den militärischen Einsatz in Nordafrika gezüchtet haben. Am Eingangstor erwartet uns schon der Gestütsleiter Said. Wir betreten die ausgedehnte Anlage mit rosa gestrichenen Stallgebäuden und viel Grünflächen dazwischen. Dahinter öffnet sich der Blick auf die Hochebene mit Weiden und einem großen Springturniergelände. Es ist bitterkalt hier oben in den Bergen auf ca. 1000 m Höhe, und leider geht die Sonne auch schon zur Neige. 



300 Pferde werden in Tiaret auf unsere Nachfrage hin von 60 Angestellten betreut. Die gepflegten Pferde stehen alle in hoch eigestreutem hellem Stroh, sie haben Selbstränken in ihren Boxen, bekommen neben dem Weidegang reichlich Kraftfutter und Heu. Die Abfohlsaison ist schon im Januar/Februar. Bis Ende Mai gehen die Herden dann tagsüber auf die Weide, in den Sommermonaten bleiben sie tagsüber im Stall und werden zum Schutz vor der Sonneneinstrahlung erst gegen Abend auf die Weide gestellt. Die Gelenke sind klar, auch bei den älteren und sehr alten Zuchtpferden, auch die Hufe sehr gut gepflegt.

Der Rundgang führt uns zunächst zu den Hengsten. Einige werden von den Gestütswärtern aus der Box geholt und vorgeführt, im Schritt, im Trab im Stand, von allen Seiten begutachtet. Aktuell sind Rohil und Chamel die Väter der meisten Zuchtpferde – beliebt wegen ihres soliden Gebäudes und ihres Formats, das sie für unterschiedliche Reitzwecke, u.a. auch für Springen einsetzbar macht. Aus ihnen sind schon einige Nachwuchshengste gezogen, drei der vielversprechendsten sind Lisbone, Nobel, Mazafran. Überhaupt wird hier in Tiaret viel Wert auf die Nutzbarkeit zum Reiten gelegt. Die meisten der Zuchtpferde sind reiterlich ausgebildet und zumindest eine Zeitlang im aktiven Einsatz gewesen. 

Das gilt übrigens auch für die Vollblutaraber, die ebenfalls hier in Chaouchaoua gezüchtet werden. Sie besitzen durchweg eine solide, tragfähige Rückenlinie, mit guter Kruppenlage und klaren Gelenken.