Fohlen in der Aufzucht sorgfältig beobachten

Das Fohlen hat sein Hauptwachstum in den ersten Lebensmonaten. Hierauf ist bei der Aufzucht ein besonderes Augenmerk zu setzen. Fehler in der Aufzucht begrenzen den Einsatz und die spätere Nutzungsdauer der Pferde. 

Starke Belastung für das Skelett des Fohlens

Von allen Haustieren verändert sich das Fohlen nach der Geburt wohl am deutlichsten. Im ersten Lebensjahr werden die Tiere bereits 90 Prozent ihrer Widerristhöhe und 60 Prozent ihres Endgewichts erreichen. Dies gilt für fast alle bisher untersuchten Pferderassen. Das Hauptwachstum der Tiere fällt hierbei schon in die ersten Lebensmonate. Dies bedeutet eine ganz enorme Belastung für das Skelett des Fohlens. 

Bei einem Versorgungsdefizit und bei ungleichem Wachstum können dann nicht selten auch Gliedmaßenfehlstellungen (bodenweite Stellung) und deutliche Hufprobleme (Stelzfuß, Bockhuf) an den jungen Pferden beobachtet werden. 

Auftreibungen unterhalb des Karpalgelenks, meist an der Innenseite der Röhren, sie werden Kortikalfissuren genannt, sind beim heranwachsenden Fohlen eine sichtbare Reaktion auf die übermäßigen Belastungen durch das zunehmende Körperwachstum. Auch das sogenannte 

Treiben mit hohen Energie- und Eiweißgaben um die Fohlen früh in eine Verkaufs- und Showkondition zu bringen, stört die natürlich angelegte Skelettentwicklung. Die Hauptwachstumsphase im ersten Lebensjahr ist der empfindlichste Entwicklungsabschnitt im Leben eines Pferdes. Fehler in der Aufzucht begrenzen den Einsatz und die spätere Nutzungsdauer der Tiere.

Bei Stellungsfehlern rechtzeitig handeln

Das Skelett des Fohlens entspricht kurz nach der Geburt in seiner Reife bereits dem Skelett des Menschen in der Pubertät (12.-16. Lebensjahr). Das weitere Wachstum der Gliedmaßen erfolgt dann von unten nach oben.

Die Pferdezüchter sagen: „im ersten Jahr wächst das Fohlen in die Höhe, im 2. Jahr in die Länge und im 3. und 4. Jahr in die Breite und Tiefe“.

 Schon mit sechs bis neun Monaten ist das Längenwachstum der unteren Gliedmaßen bis zum Vorderfuß- bzw. bis zum Hinterfußwurzelgelenk abgeschlossen. Der Bockhuf entsteht in den ersten Monaten mit einer starken Abnutzung der Hufvorderwand bei einem gleichzeitigen intensiven Längenwachstum der Zehenknochen. Die Beugesehnen verkürzen sich, die Fohlen laufen zwangsweise dann auf der Zehenspitze. In solchen Fällen gilt es rechtzeitig zu handeln. Tierarzt und Schmied können ein solches Fohlen schon mit relativ einfachen Maßnahmen sehr gut korrigieren. 

Dies gilt auch für weitere Stellungsanomalien, die während des Wachstums beobachtet werden. Ursache ist meist ein ungleiches Wachstum, vordringlich bedingt durch Haltungsfehler. Bei der Fohlenmusterung fallen gerade auch Probleme im Fesselgelenk und im Vorderfußwurzelgelenk auf. Es macht hier wenig Sinn auf eine Besserung zu hoffen. Entscheidend ist, dass rechtzeitig noch während der Hauptwachstumsphase fachkundig gehandelt wird und eine gute Zusammenarbeit zwischen Pferdebesitzer, Tierarzt und Hufschmied besteht. Wichtig ist auch eine regelmäßige Hufpflege, die bei jedem Fohlen früh beginnen und regelmäßig durchgeführt werden sollte.

Fohlen stets als Ganzes sehen

Die Fohlenbewertung ist immer auch ein erster Meilenstein in einem Zuchtprogramm. Dem Exterieur des Fohlens kommt hier zweifellos eine besondere Bedeutung zur ersten Diagnose von Erbfehlern und zum Aufdecken wesentlicher Gebrauchsmängel zu. Über die Nachkommenbewertung kann zugleich eine erste Aussage zur Vererbungsleistung der eingesetzten Zuchthengste getroffen werden. Vorausgesetzt allerdings, es werden möglichst viele Nachkommen eines Zuchthengstes ohne weitere Vorselektion vorgestellt. Bei einer Fohlenschau stellt sich der Nachwuchs dann oft auch dem Urteil mehrerer Richter. In den großen Reitpferdezuchten geht es hier im Schwerpunkt meist auch darum, nicht nur die überlegenen Fohlen im Wettbewerb zu prämieren, sondern auch geeignete Auktionsfohlen und Hengstanwärter auszuwählen. Die Richter werden auch im Wettbewerb immer versuchen, das Fohlen stets als Ganzes zu sehen. So wird die Beurteilung der Bewegung nach einer sorgfältigen Beurteilung im Stand erfolgen. Ein korrekt stehendes Fohlen wird hier meist auch einen regelmäßigen Gang besitzen. Die Pferdezüchter sagen: „ein Pferd geht, wie es steht“. Doch es gibt Fohlen, die erst in der Bewegung deutlich gewinnen, sich im Stand eher unbedeutend präsentieren. Neuere wissenschaftliche Arbeiten geben zusätzlich Hinweise auf genetisch bedingte Unterschiede in der Korrektheit bei Vorder- und Hinterhand. Für Zuchtmaßnahmen kann es hier also durchaus auch notwendig sein, differenzierte Bewertungen aufzunehmen. In vielen wissenschaftlichen Untersuchungen hat sich auch bestätigt, was die erfahrenen Pferdezüchter schon seit Generationen wissen. So kann vor allem die Gangbeurteilung des jungen Fohlens zur Voraussage seiner späteren Reitpferdeeignung und Nutzungsdauer doch recht sicher herangezogen werden. 

Doch erst im Gebrauch, unter dem Reiter, wird die Remonte dann zeigen, ob die Voraussagen aus der Fohlenbeurteilung auch zutreffen.

Dr. Ines von Butler-Wemken